Anwendung biologischer Merkmale

Biologische Merkmale

Blüten- und Reproduktionsbiologische Merkmale

Bestäubungstyp

Die Art der Bestäubung besitzt wesentlichen Einfluss auf den Austausch von Erbinformationen. Sie kann ohne ein Medium (=Selbstbestäubung) oder mittels eines Mediums (=Fremdbestäubung) erfolgen, aber auch völlig zurückgebildet sein. Kühn & Klotz (2002) unterscheiden folgende Bestäubungstypen:

Die Fremdbestäubung kann durch Wind, Wasser und Tiere erfolgen. Pflanzen, die durch Tiere bestäubt werden (Zoogamie) besitzen typischerweise große, lebhaft gefärbte Blütenblätter, Nektar oder Duftstoffe zur Anlockung ihrer Bestäuber. Häufig besteht eine enge Bindung zwischen bestimmten zoogamen Pflanzenarten und den sie bestäubenden Tierarten. Es gibt z. B. ausgesprochene Bienen- (Hornklee), Hummel- (Rot-Klee) oder Falterpflanzen (Nelken).

Bei Windblütigkeit (Anemogamie) dagegen ist die Blütenhülle unscheinbar oder fehlt völlig und auch Nektar und Duftstoffe fehlen. Verbreitet ist die Windblütigkeit bei Arten, die in größeren, weitflächigen Beständen auftreten, wie z. B. Bäumen der Waldgesellschaften Mitteleuropas (Traubeneiche Quercus petraea), oder bei Arten in extremen Regionen wie der alpinen Stufe (Alpen-Haarsimse Trichophorum alpinum), in der nur wenige bestäubende Tiere leben.

Die seltene Wasserbestäubung (Hydrogamie) geschieht an der Wasseroberfläche oder unter Wasser (z. B. Gewöhnliches Hornblatt Ceratophyllum demersum). Voraussetzung für die Wasserbestäubung sind ebenfalls individuenreiche Bestände.

Bei der Selbstbestäubung (Autogamie) erfolgt die Bestäubung mit Pollen desselben Individuums. Dies kann entweder innerhalb einer Blüte oder, was genetisch gleichbedeutend ist, durch den Pollen einer anderen Blüte derselben Pflanze geschehen. Manche Arten, z. B. die Stengelumfassende Taubnessel Lamium amplexicaule, erlauben außer der Fremdbestäubung auch eine Selbstbestäubung, die in geschlossen bleibenden Blütenknospen erfolgt (Kleistogamie). Dadurch stellen sie bei ausbleibender Fremdbestäubung zumindest die Samenbildung sicher. Selbstbestäubung ist vor allem bei Therophyten der Pioniergesellschaften sowie bei Arten, die in extremen Lebensräumen wie Mooren (z. B. Rundblättriger Sonnentau Drosera rotundifolia) leben, ausgebildet, da sie dort häufig die einzige Möglichkeit zur Fortpflanzung ist.

Samenbildung ohne Bestäubung (Apomixie) ist z. B. für die Brombeeren (Rubus sp.) oder den Gewöhnlichen Frauenmantel Alchemilla vulgaris kennzeichnend. Dabei entwickelt sich der Samen direkt aus der weiblichen Eizelle.

 

Ausbreitungsbiologie

Ausbreitungstyp

Die Art der Ausbreitung ist entscheidend für das Potential einer Pflanze, neue Lebensräume zu erobern und dadurch z. B. ihr Areal zu erweitern. Ausbreitung kann ohne (Selbstausbreitung) oder mittels eines Mediums (Fremdausbreitung) erfolgen. Bei der Selbstausbreitung (Autochorie) geschieht die Ausbreitung durch die Mutterpflanze selbst, z. B. durch das Wegschleudern von Samen (Echtes Springkraut Impatiens noli-tangere) oder das Herunterfallen der Früchte (Rotbuche Fagus sylvatica) sowie der vegetativen Vermehrung infolge Bildung von Ausläufern, die sich von der Mutterpflanze trennen (Gewöhnliche Quecke Elytrigia repens).

Die Fremdausbreitung hängt ab von den Eigenschaften der Diasporen (= Pflanzenteile, die der Ausbreitung dienen, wie Früchte oder Samen) sowie dem Medium (z. B. Wind, Wasser, Tiere), mit dem diese Ausbreitung geschehen kann. Die Ausbreitung durch Wind (Anemochorie) setzt das Vorhandensein von Flugeinrichtungen mit großer Oberfläche wie geflügelte Samen (Feldahorn Acer campestre) oder Haarschirmen (Ackerkratzdistel Cirsium arvense) voraus. Auch staubfeine Samen, wie sie Orchideen bilden, werden über den Wind verbreitet. Für die Wasserausbreitung (Hydrochorie) müssen die Samen oder Früchte lufthaltige Räume aufweisen, um schwimmfähig zu sein (z. B. Weiße Seerose Nymphaea alba). Bei der Klettenausbreitung (Epizoochorie) bleiben Samen oder Früchte mit Hilfe von Stacheln oder Haken im Fell bzw. Federkleid von Tieren haften (Kletten-Labkraut Galium aparine). Die Ameisenausbreitung (Myrmekochorie) erfolgt durch das Verschleppen von Samen, deren nährhafte Anhängsel (Elaiosomen) Ameisen als Futter dienen (Dreizahn Danthonia decumbens). Bei der Verdauungsausbreitung (Endozoochorie) werden nach dem Verzehr von Früchten (meist Beeren oder Steinfrüchten) die Samen oft im Darmkanal der Tiere angeätzt. Nach dem Ausscheiden besitzen sie dann eine erhöhte Keimfähigkeit und zudem ein durch die Exkremente "vorgedüngtes" Keimbett (Schwarzer Holunder Sambucus nigra). Menschliche Tätigkeiten, wie Handel, Verkehr oder Ackerbau, begünstigen die Ausbreitung mancher Pflanzen (Anthropochorie). Vor der Perfektion der Saatgutreinigung profitierte davon z. B. die heute vom Aussterben bedrohte Kornrade Agrostemma githago.

Die Angaben in FloraWeb zum Ausbreitungstyp stammen von Kühn & Klotz (2002).

 

Kletter- und Aufsitzerpflanzen, Parasitismus

Eine Besonderheit stellen Pflanzen dar, die an oder auf anderen wachsen. Sie können ihrem Wirt ohne direkte Verbindung aufsitzen oder seine Leitungsbahnen anzapfen und ihm Nährstoffe entziehen. Ellenberg (1991) unterscheidet:

  • Liane oder Spreizklimmer: sich auf andere Pflanzen stützend, aber im Boden wurzelnd
  • Epiphyt: sauf anderen Pflanzen aufsitzend und dort wurzelnd
  • Halbparasit: von anderen Pflanzen Wasser und Nährsalze schmarotzend, aber mit grünen Blättern eigene Energiestoffe produzierend
  • Vollparasit: vollständig auf anderen Pflanzen schmarotzend (d.h. ohne Blattgrün)

Eine Besonderheit stellen diese Pflanzen dar, die an oder auf anderen wachsen. Lianen (Weinrebe Vitis vinifera) benutzen andere Pflanzen nur als Stütze und wurzeln selbst im Boden. Bei nur geringer eigener Biomasse vermögen solche Pflanzen trotzdem bis in den Kronenbereich der Bäume zu gelangen und dort von der höheren Strahlungsenergie zu profitieren. Einen solchen Konkurrenzvorteil besitzen auch die Epiphyten, die sich auf den Ästen in den höheren Stammbereichen ansiedeln, in Rindenspalten, Gabelästen o.ä. wurzeln und sich von dort hängenbleibenden Nährstoffen ernähren. Die Zuordnung zu einem dieser Typen wurde von Ellenberg (1991) vorgenommen. 

 

Parasiten

Sie zapfen die Leitungsbahnen ihrer Wirtspflanzen an und entziehen diesem Nährstoffe. Halbparasiten (z. B. Laubholz-Mistel Viscum album ssp. album) schmarotzen von anderen Pflanzen nur die in den Wasserleitungsbahnen (Xylem) gelösten Nährsalze, produzieren aber mit ihren grünen Blättern eigene Energiestoffe. Vollparasiten dagegen haben kein Blattgrün mehr und beziehen daher sämtliche Stoffe aus ihrer Wirtspflanze. Häufig sind die Vollparasiten auf bestimmte Pflanzenarten oder -gruppen spezialisiert, wie z. B. die auf den Klebsalbei Salvia glutinosa spezialisierte Salbei-Sommerwurz Orobanche salviae.

Die Zuordnung zu den Parasitismustypen stammt aus Ellenberg (1991).